Der halbe Ätherleib. Oder: Grundlagen für die unendliche Produktion beliebigen anthroposophischen Bullshits

Auch Andreas Delor, der ursprünglich anthroposophisch orientierte Atlantis- Forscher, hat schon mal Stellung bezogen in Bezug auf die stigmatisierte und magersüchtige Hellseherin Judith von Halle, die in diesen Blogs häufig kritisiert worden ist.

Von Halle, die geraumer Zeit so weit erkrankt ist, dass sie kaum noch, wenn aber, dann gern für die „Klassenleser“ der Anthroposophischen Gesellschaft auftritt, hat durch eine Reihe umstrittener Bücher und Vorträge eine Art eigenen visionären Kosmos um okkulte Aussagen Rudolf Steiners aufgebaut; mit dem Anspruch, dass durch sie unmittelbar ein Gott - Christus- spräche:

Jede Darstellung über die Ereignisse soll nicht meine Person in den Vordergrund rücken. Da sich diese Ereignisse an mir vollziehen, sind sie mit meinem Wesen verknüpft. Doch es ist stets Christus selbst, der Sie ganz persönlich – in Liebe – anspricht, wenn Sie sich mit diesem Stigmatisations- Ereignis auseinandersetzen, das innerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft aufgetreten ist, indem Er durch Seine Gnade, durch die Lenkung und Stützung Ihres Karmas, Sie selbst zu Zeugen werden lässt von Seinem Gang durch die Erdenwelt, von Seiner Authenzität, von Seiner Allgegenwart.“* Dabei fallen die häufig sensationell zugespitzten, blutigen und von schwarzen Magiern wimmelnden Details in von Halles Texten auf. Erstaunlich an dem ganzen Phänomen ist die doch nicht unerhebliche Zustimmung im anthroposophischen Fußvolk; vor allem im amerikanischen und pazifischen Raum. Von Halle beeinflusste bis vor kurzem mit ihrer Phantastik selbst einige anthroposophische Publizisten- so auch Delor.

Andreas Delor, der in seiner umfänglichen Bearbeitung des Atlantis- Themas selbst keine persönliche Hybris pflegt, aber allerlei Hellseher  einbezieht, lehnte in einer Stellungnahme** von Halles oben aufgeführte Selbstbeschreibung als das „Medium Christi“ ab und meint, „dass Judith
von Halle, will sie glaubwürdig bleiben, diese Aussage UNBEDINGT zurücknehmen muss.

Nun besteht für Delor die argumentative Problematik, dass er sich im Verlaufe seiner „Forschungen“ auch auf „hellsichtige“ Aussagen Judith von Halles stützt: „Nun habe ich mich im Zuge meiner umfänglichen Atlantis-Forschungsarbeit aber AUCH auf Judith von Halle abgestützt; ich STEHE dazu und werde das auch weiter fortsetzen.“ Von Halles Visionen werden von ihm dann benutzt, wenn sie Delor argumentativ passend erscheinen- ebenso wie die von Zwergenforschern und Spökenkiekern: „Seit dem Jahre 2009 arbeite ich mit mehreren (untereinander grundverschieden arbeitenden; sie kennen einander persönlich gar nicht) hellsichtigen Menschen zusammen und ziehe zusätzlich „aus der Literatur“ diverse weitere hellsichtige Quellen heran (z.B. JvH.).“

Wie windet sich Delor wieder aus dieser Sackgasse heraus? Die konventionell- anthroposophisch Linie ist in solchen Fällen stets, sich auf die „Nebenübungen“ Rudolf Steiners zu konzentrieren und ihnen entsprechend „Ergebnisoffenheit bzw. Unbefangenheit/Vorurteilslosigkeit“ einzufordern. Das führt Delor dazu, von Halles verstorbenen Kritiker Sergej Prokofieff und andere Kritiker, auf die er sich vorher bezogen hatte, nun seinerseits zurück zu weisen, da diese die „Schauungen“ von Halles, ihre angebliche Nahrungslosigkeit und Stigmatisierung nicht hätten beurteilen können: „Das KANN Prokofieff gar nicht beurteilen, und wenn er noch so viele „plausible“ Gründe dafür anführt. Allein schon ihre Schauungen als „rein leibgebundene Visionen“ hinzustellen, ist schlicht der größte anzunehmende Unsinn.“ Das Nicht- Anerkennen dieser Visionen - also das Einfordern eines stringenten Denkens und einer grundlegenden Plausibilität- rückt Delor in die Nähe der Inquisition: „..denn alles, was auch nur von ferne nach INQUISITION riecht, hat in der Anthroposophie
NICHTS VERLOREN.“ Okay, aber wie wäre es mit Logik, Sachverstand und spiritueller Verantwortung?

Nun könnte man sagen, Delors hier dargelegte Kehrtwendung in Bezug auf Aussagen Judith von Halles, die an sich keine Relevanz hat außer der, in anthroposophischen Kreisen als Totschlags- Argument zuverlässig zu funktionieren, sei doch reichlich korrupt: schließlich verteidigt er, der höchst dubiose Quellen und Methoden einbezieht, mit der trockenen Visionärin von Halle auch sich selbst, da von Halles phantastischen Aussagen ihm ja „unentbehrlich“ sind: „ sind mir dennoch wie gesagt in meiner Atlantisforschung viele Aussagen Judith von Halles unentbehrlich geworden – und nicht nur in der Atlantisforschung.“ Immerhin distanziert er sich von deren „Absolutheitsanspruch“. Auch ihren Aussagen über die Auferweckung des Johannes kann Delor wenig abgewinnen.
Wieder einmal beschließt er, die Schauungen von Halles durch die Visionen zweier Hellseher zu überprüfen. Nach offensichtlichen Widersprüchen erfolgt, wie so oft bei den von Delor eingesetzten Medien, ein alberner Kompromiss in Form eines „halben Ätherleibs“: „Er ist also nicht zu Staub zerfallen und hat sich auch nicht in Jakobus inkorporiert – darin hat Judith von Halle Unrecht, so leid es mir tut, dies sagen zu müssen, denn im Allgemeinen schätze ich ihre Angaben sehr. Andererseits hat sie darin recht, dass Johannes Zebedäus wirklich seinen Ätherleib dem auferstandenen Lazarus-Johannes gespendet hat, oder sagen wir mal, den „halben Ätherleib“..“

Halbe Inkorporationen und Ätherleiber, der Zwang, mit den absurdesten Behauptungen skurriler Hellseher zurecht zu kommen; das ist in der Tat, wie Delor schreibt, eine „Räuberpistole“- wie kommt er da heraus?  „Ich verbuche das Ganze schlicht unter „jeder macht Fehler“ und werfe ihr nur „Verletzung der Sorgfaltspflicht“ vor, denn was man in die Öffentlichkeit gibt, sollte tatsächlich hieb- und stichfest sein.

Delor ist auf dem Wischi- Waschi- Boden der okkulten Schwätzer und Spekulanten angekommen, wieder einmal. Wenn man Geschwätz, spekulatives Geraune und den Verzicht auf jegliche geistige Disziplin so kombiniert, kann man tatsächlich jede beliebige, sensationell aufgehübschte Okkult- Behauptung argumentativ einbringen. Das ist die „Methodik“ Delors- die Grundlage für die unendliche Produktion beliebigen Bullshits. In meinen Augen sind solche Produktionen nicht nur überflüssig, sondern toxisch, was die Treue und Verpflichtung gegenüber Rudolf Steiners Werk betrifft- eine Haltung, die Andreas Delor aus nahe liegenden Gründen nicht teilt: „„Irren ist menschlich“ – man sollte dies auch Judith von Halle (und Rudolf Steiner) zugestehen und nicht solch „fehlerhafte“ Personen in derartig unwürdiger Weise verurteilen, ja, sie als„Sibylle“ oder „giftige Blume“ verunglimpfen und „auszuradieren“ suchen, wie dies momentan ihr gegenüber geschieht.“ 

Die "giftige Blume" war tatsächlich ein Bild, das ich einmal bei den Egoisten in Bezug auf die okkulte Tätigkeit von Halles benutzt habe. Insofern bezieht sich Delor indirekt auch auf dieses Blog.

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*zitiert von Sergej Prokofieff in:„Zeitreisen – ein Gegenbild anthroposophischer Geistesforschung“, Dornach 2013, S. 15  
**http://www.andreas-delor.com/tl_files/andreas1/pdf/atlantis/JudithvonHalle.pdf